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"Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, für den ist jedes Problem ein Nagel."


Als ich vor 30 Jahren für das Waldamt in Zürich die Architektur für ein Besucherzentrum im Sihlwald entwarf, erklärte mir einer der Verantwortlichen, dass sie das Projekt erst jetzt machen können, weil nun klar ist, was Wald in der Stadt Zürich wert ist. Der Quadratmeter Wald in Zürich hatte einen Erholungswert von, wenn ich mich recht erinnere, 17.26 CHF. Deshalb hätte man nun Argumente, dass ein Zentrum für die Besucher:innen des Walds Sinn macht.


Seit drei Jahrzehnten wird nun krampfhaft versucht, alles in Franken und Rappen auszudrücken, weil man offensichtlich nicht über den Zweck und die Wirkung einer Sache sprechen kann, wenn man sie nicht buchhalterisch greifen kann. Auch im gemeinnützigen Bereich kursieren Modelle wie die Berechnung des SROI (Social Return of Investement), der herauszufinden versucht, was eine geleistete Nachbarschaftshilfe oder eine Stunde Bildung in Franken wert ist.


Doch nun hat sich das Problem plötzlich umgedreht. Die Diskussion um Klima- und Systemwandel führt dazu, dass Wirtschaftsunternehmen sich auf die Suche nach ihrem «Purpose» machen, ihrem langfristigen Zweck. So stellt sich Coca-Cola plötzlich als Speerspitze der Diversity-Bewegung dar und H&M schützt plötzlich das Klima.

Doch abgesehen von den Botschaften der Kommunikationsabteilung bleibt für Vorstandsräte und Management das Kernproblem, dass sie keine Sprache, kein Bezugssystem haben, um über Sinn und langfristigen Zweck zu sprechen. Die Entwicklung der Quartals-KPI hilft hier nicht weiter. Doch einer beunruhigten Öffentlichkeit gegenüber müssen sie eine Antwort geben.


Kann der NPO-Bereich helfen?

Sophie Hersberger-Langloh aus unserem Team wurde vor einigen Wochen als Speakerin zu einem TEDx-Talk nach Berlin eingeladen, wo sie die Frage beantworten sollte, was Wirtschaftsunternehmen von NPO lernen können. Haben NPO wirklich Modelle, die aus dieser Sackgasse der Monetarisierung rausführen? Der NPO-Bereich beschäftigt sich zentral mit Zweck und Wirkung und hat Modelle entwickelt, wie man sich darüber klar wird, was die eigene Arbeit bewirkt oder eben auch anrichtet. Vor allem die Entwicklungszusammenarbeit hat hier sehr gute Arbeit geleistet.


Doch wenn ich dann wirklich schaue, was an den Vorstands- und Stiftungsratssitzungen besprochen wird, dann ist es ernüchternd. Vier Mal pro Jahr schaut man sich den Forecast der aktuellen Betriebsrechnung an, sogar in Organisationen, die einen grossen Teil ihrer Mittel im 4. Quartal über Spenden erhalten, und die Forecast 1 bis 3 vollkommen unnütze Übungen sind. Aber man muss ja über etwas sprechen, und leider können Stiftungsräte zur langfristigen Wirkung ihrer Tätigkeit ebenso schlecht etwas sagen, wie der Verwaltungsrat eines Konzerns. Weil auch sie kein Bezugssystem, keine Sprache haben.


Sprache neu lernen

Die NZZ zitierte kürzlich André Hoffmann, den Roche-Erben, dass Philanthropie gescheitert sei, weil sie keine nachhaltige Wirkung hingekriegt habe. Wenn man sich die Entwicklungen anschaut, dann hat er wohl recht. Doch wirklich beantworten können wir es kaum. Denn für «nachhaltige Wirkung», also für ein komplexes Netz von Entwicklungen, die sich gegenseitig beeinflussen, haben wir keine Modelle und keine Sprache.

Ich glaube nicht, dass Unternehmen und Nonprofit-Organisationen heute nicht daran interessiert sind, wie sich dieser Planet entwickelt, aber wir können es nicht fassen, weil wir keine Sprache dafür haben. Franken und Rappen bleiben verlockend, doch sie sind das Problem – wie wir gerade in Glasgow wieder gesehen haben. «Wie viel kostet eine Klimakatastrophe und wer muss dafür zahlen?», wird zur Kernfrage und lässt eine ganze Konferenz scheitern. Und dies in einer Welt, in der Geld längst eine virtuelle Grösse geworden ist, die täglich im Computer in jeder notwendigen Menge hergestellt werden kann.


Wir müssen eine Sprache suchen, mit der wir über diese Welt sprechen können. Die SDG 2030 sind ein Anfang.

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