Es schaudert einen ob der News. Nach der Schliessung des Kulturhauses und Arthouse-Kinos Kosmos trifft es nun gleich zwei weitere privatwirtschaftlich betriebene Independent-Kinos in Zürich. Ist das eine strukturelle Flurbereinigung oder muss hier die Kulturförderung entgegenhalten?
Förderung oder strukturelle Flurbereinigung?
Fakt ist: Die Kultur leidet an Long Covid, und die Arthouse-Kinos ganz besonders. Während in der Schweiz die Kinos 2022 rund 30% weniger Eintritte als vor der Pandemie verzeichneten, waren es bei den Arthouse-Kinos 45%. Bei der Diskussion um die Förderung dieser Betriebe fehlt mir allerdings bislang die Frage nach dem «wofür». Aus Sicht der Förderung kann es nicht darum gehen, die Angebotsvielfalt aufrechtzuerhalten, wenn das Publikum ausbleibt. Die Frage muss sein: welchen Mehrwert können solche Häuser der Gesellschaft von heute und morgen bieten? Zur Beantwortung der Frage muss das Publikum näher angeschaut werden.
Das Publikum ist nicht mehr dasselbe wie vor Corona
Die Pandemie hat gezeigt, dass sich kulturelle Institutionen nicht auf ihre bestehenden Strukturen und Angebote verlassen können. In unserer Untersuchung zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Kultur stellen wir verschiedene Tendenzen bei den Publikumsinteressen vor (hier eine Zusammenfassung der Resultate in meinem letzten Blog-Beitrag zum Thema «Kulturförderung nach der Pandemie»). Diese sind u.a.:
· Mehr Events
Eine Tendenz geht Richtung «Events», wobei damit nicht zwingend eine Reduktion des kulturellen Anspruchs einhergehen muss. Gerade beim Film stellt sich die Frage, ob die Kinobetreibenden nicht mehr bieten müssen als «nur» Filme, da diese – seit Corona massiv vermehrt - bequem und billig von zu Hause aus gestreamt werden können.
· Orte der Begegnung und des Dialogs Die Leute trauen sich wieder aus dem Haus, der Bedarf an physischen Begegnungsorten nimmt zu! Gerade in Städten, wo der Raum knapp ist, können die Kinos einen Ort anbieten, wo man sich trifft und über sich und die Welt diskutiert. Das Kulturhaus Kosmos hat gezeigt, dass solche Angebote durchaus ihr Publikum finden. Es hat aber leider auch gezeigt, dass sich solche Angebote sich nicht rechnen und auf Förderung angewiesen sind.
· Mitreden und mitgestalten Kulturelle Institutionen kommen nicht umhin, zumindest für einen Teil ihres Angebots stärker in den Dialog mit der Gesellschaft zu treten. Warum nicht gemeinsam ein Sonderprogramm oder ein Festival gestalten? Oder neue Kooperationen eingehen, z.B. mit lokalen Kulturvereinen, dem Musikclub oder der Pizzeria nebenan?
Transformationen im laufenden Betrieb kaum leistbar
An guten Ideen mangelt es den Arthouse-Kino-Betreiber:innen nicht. Einige haben schon vor Corona neue Formate implementiert. Doch erfolgreiche Transformationen sind im laufenden Betrieb, mit den aktuell schlechten Zahlen und mit den knappen Personalressourcen kaum leistbar.
An dieser Stelle kommen die Förderer ins Spiel. Sie können die nötige Transformation ermöglichen. Ein gutes Beispiel ist die Transformationsförderung des Bundes und der Kantone (eine neue Förderform, die m.E. erst dank Corona möglich wurde). Die Frist für die Transformationsförderung ist Ende 22 abgelaufen. Private Stiftungen können hier nun einen wichtigen Beitrag leisten.
Wissens- und Erfahrungsaustausch ist auch eine Form der Förderung
Wir von Con·Sense begleiten aktuell das Arthouse-Kino Cameo in Winterthur dabei, ein neues Format von Jugendlichen für Jugendliche zu entwickeln. Finanziert wird das Projekt im Rahmen der Transformationsförderung des Kantons Zürich. Auf der Grundlage einer Umfeld- und Bedarfsanalyse und unter Einbezug der Jugendlichen lanciert das Kino noch dieses Jahr das neue Format. Die Analyse und die Erfahrungen, die das Cameo dabei gemacht hat, wird es zu gegebener Zeit mit anderen Studiokinos teilen. Auch das ist eine Form der Förderung.
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